Autorin auf Fähre vor Kap Dukato (Lefkas/Griechenland)

 

Greta

Godberg

 

 

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Am Grabschrein des Dichters Hafis in Shiraz - Mitte Okt. 2019

-- Reise-Berichte --

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R e i s e n

- Von Casablanca bis Kyoto -

 

 

I r a n    2019

Reise mit Mietwagen, Zug und Taxi durch den Iran

(Zurückgelegt: ca. 3500 km)

 

Nach einem fast 12-stündigen Flug mit gehetztem Umsteigen im neuen Istanbuler Flughafen sind wir vier - Sohn Daniel mit Frau Andrea, Rüdiger und ich - wohlbehalten gegen 3 Uhr nachts in Shiraz angekommen und wurden dort von Ali, dem Neffen unserer Bonner Freundin Masume, und dessen Frau Sanaz mit zwei Autos abgeholt und zum Hotel gebracht.

 

Nächtlicher Empfang mit Rosen am Flughafen von Shiraz
Nächtlicher Empfang am Flughafen von Shiraz

 

 

 

  Im bunten und lebensfrohen Shiraz

 

 

Junge Frauen im Naranjestan-Garten in Shiraz
Weibliche Jugend im Narenjestan-Garten

 

Selfie-Frauen im Eram-Garten Kurz nach der Rückkehr aus dem Iran kam ich in einem hiesigen Café mit einer Iranerin ins Gespräch. Sie lebt in Deutschland, besucht aber regelmäßig ihre Verwandten in Teheran und erkundet bei diesen Reisen immer eine ihr noch unbekannte Gegend des Iran, darunter vor zwei Jahren Shiraz. Strahlend sagte sie mir: "Shiraz, das ist eine so lebendige, so fröhliche Stadt, alles scheint locker und leicht, ich habe mich gefühlt wie in einer anderen Welt".

Ja, so haben auch wir die Stadt erlebt, quirlig, bunt, die Frauen weniger in Schwarz als in farbenfrohe Gewänder oder dekorative Blusen über engen Jeans gekleidet, lässig, sportlich, zuweilen auch elegant, die Kopftücher blickfangend, das Haar eher freilassend als bedeckend; so begegneten sie uns in der Stadt oder in deren berühmten Gärten, zumeist im Gefolge ihrer Familien, die Smartphones ständig zu Gesprächen oder Fotos in Aktion: im Naranjestan-Orangen-Garten, einem Juwel mit seinem orientalisch-verspielten und mit Ziergiebeln gekrönten Pavillon aus der Kadscharenzeit (1779 - 1925), Wände und Decken der lichten Innenräume mit Kacheln und Spiegelmosaiken ausgeschmückt.

 

Pavillon im Naranjestan-Garten in Shiraz
Naranjestan-Garten

Unter Orangenbäumen nahe der Wasserläufe und Springbrunnen (erfrischendes Nass, das in einem Wüstenland zum Wohlbefinden aller niemals fehlen darf!!) haben wir zur heißen Mittagszeit gesessen und Tee getrunken, freundlich haben die anderen Besucher uns zugenickt; so wie später, am Nachmittag im Paradiesgarten Eram, bewundert wegen seiner hohen Zypressen und Palmen rund um den weißen, mit klassischen Gedichten kunstvoll beschriebenen Palast. Jenseits der Gartenmauern pulst am Abend das Freizeitleben mit Verkaufsständen jeder Art, Essen, Getränken, Gebrauchs- und Liebhaberartikeln, Flohmarktschätzen am Boden ausgebreitet, die ganze Straße widerhallend von Musik, schnulzig, poppig, baladesk. So verlief einer der fünf Tage, und wie an diesem brachten uns an den folgenden singende, Vorträge haltende oder auf die Regierung schimpfende Taxifahrer von einem Ort der Stadt zum anderen, zu weiteren Gärten, zu Moscheen, Restaurants, zum Bazar.

Unser Highlight in Shiraz war der Besuch des Shah Cheraq Mausoleums. Es ist die Begräbnis- und Verehrungsstätte von Sayyed Mir Ahmad, genannt Shah Cheragh, "König des Lichts". Er hatte sich im 9. Jh. vor der Verfolgung durch die Abbasiden Herrscher nach Shiraz geflüchtet, wurde am Ende doch ausfindig gemacht und getötet.

 

Die auf den Kopf gestellte "Tulpe" des Shah Cheraq Mausoleums (2006)
Shah Cheraq Mausoleum

 

Greta und Andrea im ShahCheraqMausoleum mit ShadorWir haben das Mausoleum Ende der 60er Jahre auf unserem Trip durch Nah- und Fernost zum ersten Mal besucht. Was heißt besucht, wir, als Ausländer und Nicht-Muslime durften es nicht betreten, nur von außen bewundern. Die Kuppel des Heiligtums, hochaufragend und leuchtend in ihrem türkisfarbenen, mit gelben und lichtbraunen Arabesken bedeckten Gewand aus kleinen Fliesen, hat uns begeistert. Es war neben dem Dekor vor allem die ungewöhnliche Form, an der wir uns nicht sattsehen konnten, die Form einer Birne, wie man sie damals nannte, heute spricht man poetisch überhöht von einer geschlossenen Tulpe.

 

Auch in der Shah-Zeit war uns der Besuch verwehrt und 2006 lief jeder Versuch hineinzugelangen, selbst durch die fast bettelnde Fürsprache von Freunden, ins Leere. Seit einigen Jahren, mit dem Anwachsen des Tourismus, ist Fremden der Eintritt gestattet, jedoch nur in Begleitung eines Führers und selbstverständlich für Frauen mit Tschador.

 

 

Eingangsliwan (Pishtak) im ShahCheraqMausoleumDas Heiligtum ist mit den Jahren, besonders in den letzten Jahrzehnten der Islamischen Republik, zu einem großen Komplex angewachsen. Es war später Nachmittag, als wir durch den prachtvoll mit ornamentbedeckten Fliesen geschmückten Torbau (Pishtak) den Innenhof des Mausoleums betraten. Obwohl ich mir angesichts einer Skizze denken konnte, wie groß er sein musste, staunte ich doch über seine Weiträumigkeit. Aber noch mehr staunte ich, als unser Führer, ein junger Gashgai-Nomade, uns am Eingang des Sakralbaus mit der ihn überragenden Kuppel ermunterte, die Schuhe auszuziehen. Sollte das etwa bedeuten, dass wir dieses Heiligtum/das Allerheiligste betreten durften? Ja, so war es! Gemeinsam stiegen wir die Stufen ins Innere mit dem Sarkophag des Shah Cheragh hinauf, und kaum dass wir die Schwelle überschritten hatten, fühlte ich mich wie geblendet vom "königlichen Licht" des Sayyed, dem Funkeln und Strahlen um uns herum.

 

 

Im Allerheiligsten des "König des Lichts"-Mausoleums
Shah-Cheraq-Mausoleum Innenraum

 

Ich hatte andere Mausoleen gesehen, einige davon mit feinen Gold- und Spiegelglasarbeiten ausgeschmückt, gerade noch tolerierbar hatte ich manchmal gedacht - aber diesen Lichterglanz aus Spiegelmosaiken akzeptierte ich auf der Stelle ohne Wenn und Aber. Der große Kuppelraum ist bis fast hinab zum Boden mit kunstvoll geschliffenem Spiegelglas ausgekleidet. Es ist vielfach eingefärbt in grün-gelb-rötlichen Tönen, hier und da aber auch transparent-naturbelassen, so dass, illuminiert von imposanten Kronleuchtern, dieser Eindruck von beinahe überwältigender Helligkeit entsteht. Zusammen mit Arabeskenfliesen und Schriftbändern im unteren Bereich, strahlte der Raum (an dessen äußerstem Rand wir leider stehenbleiben mussten), mit Blick auf die Betenden am Fuße des Sarkophags, Feierlichkeit und Erhabenheit aus, eine stille, fast spirituelle Atmosphäre. Sprächen Pilger an diesem Ort von Paradiesgefilden, so fände ich das mehr als einleuchtend.

Als wir in den Innenhof zurückkehrten, brach gerade die Dämmerung an und vom Minarett ertönte der Gesang des Muezzins. Vorüber an den in der Mitte des Innenhofs niedergelassenen Besuchern und Pilgern, die ihre Gebetsteppiche ausrollten und zu beten begannen, gingen wir leise plaudernd mit unserem Führer durch den Innenhof. Ich wollte mich zum Sakralgebäude umdrehen, da meinte er: "Wenn Sie noch ein Stückchen weitergehen und dann zurückblicken, werden Sie eine große Überraschung erleben".

Das Shah-Cheraq-Mausoleum am Abend
Shah-Cheraq-Mausoleum am Abend

 

Er hatte Recht: In warme (künstliche) Beleuchtung getaucht, ragte das Heiligtum einen Steinwurf weit entfernt vor uns auf, gekrönt von der jetzt in Ockerfarben strahlenden Tulpenkuppel, ihr zur Seite die beiden gleichfalls erleuchteten Minarette. Wir konnten uns lange nicht trennen von dem Anblick und schließlich vom Mausoleum selbst. Noch spät in der Nacht, lange wach liegend, sah ich das Bild vor mir - und ich sah mich und Andrea, wie wir uns im Tschador, die Kleider darunter durchnässt in der 35°-Hitze, tapfer und begeistert durch das Mausoleum gekämpft hatten.

 

 

Ein Bericht über Shiraz wäre unvollständig, wenn wir nicht unsere Freunde erwähnten, die Verwandten unserer in Bonn lebenden iranischen "Tochter" Masume. Vor und während der Reise haben sie uns, mal die einen, mal die anderen, mit Rat, Tat und Gastfreundschaft zur Seite gestanden (übrigens nicht zum ersten Mal, wir kennen uns von Besuchen einiger in Deutschland und von unserer Reise durch den Iran 2006). Bei unserer Ankunft in Shiraz, weit nach Mitternacht, empfing uns eine Gesandtschaft der Großfamilie mit einem Willkommensplakat in Persisch/deutsch und ­ in der Stadt der Rosen ­ mit einer Rose für jeden von uns. Es folgten Treffen, Einladungen in die Familie und in typisch persische Restaurants. Gleich am ersten Tag gab es ein Wiedersehen mit (fast) der ganzen Familie 60 Kilometer außerhalb Shiraz in einem Restaurant/Café, das Masumes Neffen gehört. Die Begrüßungen wollten kein Ende nehmen. Das Essen am festlich gedeckten Tisch war köstlich, insbesondere die Spezialität des Hauses: ein in Sojasoße mariniertes Kebab nach einer Idee von Masume. Nach dem Essen saßen wir bei Möhreneis (ja, das gibt es ­ lecker!) und frisch gepresstem Granatapfelsaft beisammen, später in einem gemieteten Nomadenzelt auf einem saftig grünen Hügel umgeben von Bergen und Felsgestein. Wir aßen "deutschen Zitronenkuchen", den Masumes Schwester für uns gebacken hatte.

Nomadenzelt

 

 

Bevor wir mit dem Zug nach Isfahan fuhren, einem First Class Zug ­ es gibt keinen anderen ­ in einem Vierer-Abteil mit Gratis-Getränken und Snacks, besuchten Daniel und Andrea die etwa 60 km von Shiraz gelegene altpersische Ruinenstätte Persepolis, Haupt und Palaststadt des Achämemidenreichs, 520 v. Chr. von Darius I gegründet, etwa 200 Jahre später durch Alexander den Großen zerstört.

 

 

"Tor aller Länder", Empfangsgebäude für die Delegationen der Vasallen
Persepolis

 

 

Es ist ein eindrucksvolles Open-Air-Museum, großräumig, jedoch schattenlos. Da wir es von vielen früheren Erkundungen kennen, verzichteten wir in der Septemberhitze auf einen neuen Besuch und genossen unseren freien Tag mit kleineren Unternehmungen in Shiraz.

Persische Gedichte an der Fassade des Pavillons im Eram-Garten
Eram-Gedichte

 

Zum Hafis - Mausoleum

Über Shiraz zu schreiben, ohne den berühmten klassischen Dichter und Mystiker Hafis zu erwähnen, gleicht geradezu einem Sakrileg. Der Besuch seiner Grabstätte ist ein Muss. Hafis (vermutlich 1315 - 1390) in Shiraz geboren, gehört mit seinen zahlreichen Gedichten zu den angesehensten und beliebtesten Dichtern im Iran; auch weniger Gebildete kennen zumindest seinen Namen und häufig auch das eine oder andere seiner Gedichte. Sein bekanntestes Werk, der "Diwan", enthält mehrere 100 Gedichte (Ghaselen).

 

 

Mausoleum des persischen Dichters Hafis
Hafis-Mausoleum

 

Bereits bei unserer ersten Reise durch den Iran, Ende der 60er Jahre, erlebten wir, dass Reisende während langer Überlandfahrten in Gespräche vertieft, Gedichte von berühmten Dichtern einfließen ließen (darunter u.a. auch vom Dichter Saadi, 1210 - 1291), einander eigene Gedichte vortrugen oder gar sie bei Teepausen jeweils in ein Heft des anderen schrieben. Einem iranischen Sprichwort zufolge finden sich in beinahe jedem iranischen Haus zwei Bücher, der Koran und ein Buch mit Hafis Gedichten. Deutschen ist Hafis über Goethe vermittelt worden. Mit seinem "West-östlichen Diwan", einer seiner umfangsreichsten Gedichtsammlungen, hat er dem Meister - den er in einem Gedicht auch "Zwillingsbruder" nannte - ein Denkmal gesetzt.

Hafis preist in seinen Gedichten - abgesehen von einigen religiösen und politischen ­ vorwiegend den Wein und die Liebe, die erfüllte ebenso wie die unerfüllte, oder auch die Bitterkeit einer Trennung. Zudem ist Liebe für ihn - zumeist - nicht nur eine irdische, sondern auch eine mystische, bis hin zu einer Vereinigung mit Gott. ähnliche Bedeutung misst er auch dem Genuss von Wein zu, spricht vom göttlichen Rausch und vom Gefühl der Freiheit. Wein war auch zur Zeit von Hafis aus islam-religiösen Gründen verboten und konnte nur in Geheimzirkeln getrunken werden.

 

Ehrbezeugung
Greta am Sarkophag von Hafis

 

 

Wir "besuchten Hafis" in seinem hübsch gestalteten Garten, dieses Mal kurz vor unserem Abschied von Shiraz. Seine Grabstätte liegt in einem offenen, mit Fliesenmosaiken in der Kuppel geschmückten Pavillon. In den Sarkophag aus Marmor sind einige seiner Gedichte gemeißelt. Wie andere Besucher ­ einige von ihnen Iraner, die leise Gedichte rezitierten ­ berührten auch wir die reliefartigen Buchstaben, strichen über den wie glatt geschmirgelten Marmor. Wäre Alkohol erlaubt, hätten wir ihm zu Ehren ein Glas Sekt trinken können, eingedenk einiger Verszeilen aus unterschiedlichen Gedichten:
Setz dich neben mein Grab, mit Wein und Musik! ­ So deine Anwesenheit ahnend, könnte ich mich aus meinem Grabmal erheben. ­ Erhebe dich, sanft sich bewegendes Geschöpf, und lass mich deine Erscheinung betrachten!

Hier, übersetzt von Rolf Dieter Keil, ein Ausschnitt aus Hafis Schenkenlied "Saki Nameh", einem ungewöhnlich langen Gedicht, das er dem Fürsten von Shiraz gewidmet hat. Mit Saki ist der Mundschenk gemeint.

Bring, Saki, den Wein, dass wir Könige sind,
das Herz weiß, dass rein wir wie wenige sind.
Bring Reben, dass rein wird von Makel die Brust,
will heben mein Haupt aus der Grube zur Lust!
Ward Garten der Geister mein wahres Revier,
wie bin ich im Kerker des Körpers noch hier?
Der bin ich, der, hebt er die Schale mit Wein,
dort schaut in dem spiegelnden Strahle das Sein.
Im Rausche nur rühm ich mich königlich frei,
ich rühme mich König, wie wenig ich sei:
Im Rausch wird durchbohrt des Geheimsten Juwel,
nichts ist, das sich je der Verzückung verhehl‘.
Wenn Hafis sein Lied, das berauschende, singt,
vom Sternrad des Hesperus Lautenspiel klingt!

 

Die Innenkuppel des Hafis - Mausoleums
Kuppel im Hafis-Mausoleum

 

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