Autorin auf Fähre vor Kap Dukato (Lefkas/Griechenland)

 

Greta

Godberg

 

 

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Shikaras zu den Hausbooten auf dem Dal-See

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Indische Miniaturen

 

I   Kashmir, Sommer 1982, auf dem Hausboot inmitten des Dal-Sees

 

Der Rais, der über jeden Zweifel erhabene

Altvater des Green-Mountain-Hausboots

Dreifacher Mekkapilger, ein frommer, Vertrauen einflößender "Hadji", vom frühen Morgen bis zum späten Abend als Familien- und Firmenoberhaupt anwesend, Fäden zwar nicht mehr spinnend, aber in Händen haltend. Stets tadellos gekleidet, in gebügeltem Pumphosendress, das Käppi des Mekka-Absolventen auf dem Kopf, Bart- und Schläfenhaar von makellosem Weiß. Während die Söhne den Laden "schmissen", verteilte er wohldosiert und in Maßen - die persönliche Ansprache unter vier Augen schaffte Intimsphäre - Extrabonbons: ein speziell sanft gewürztes, außergewöhnlich zartes Kashmirhähnchen zu Ramadanende!Der Boss des Hausbootes 'Green Mountain' auf dem Dal-See in Kashmir - 1982 Eine kräftige Rindfleischbrühe mit Joghurt für das durchfallgeschädigte Kind: best medicine! Ließe es sich arrangieren, einen Besuch beim berühmtesten Sufi "all over India", einem Gebetsfreund aus Jugend-tagen! Darüberhinaus erzählte er gern und gut Räuberpistolen im Stil von 1001 Nacht: Ausgeraubt bis aufs Hemd zwischen Mekka und Medina! Fieberkrank und tagelang ohne Bewusstsein im Pilgerzelt! Allah, der ihn jederzeit abrufen kann: Ich bin bereit! hat ihn gerettet! Bescheiden erweckte er vergangene Eigenleistungen zu neuem Leben: Im jahreszeitlich späten Schneegestöber Anno … zur Armanath-Pilgerzeit, erreichte er als erster - in Eisfelder war er eingebrochen, reißende Bäche hatte er kühn durchwatet - mit einer Touristengruppe die in 4500 m Höhe liegende Höhle mit dem legendenumwobenen, je nach Stand des Mondes anwachsenden und abtauenden hl. Eislingam (der ihm, als Moslem, selbstverständlich nichts bedeutet!)! Beinahe flüsternd verkündete er uns anlässlich Niels Besuch bei seinem Leibarzt, dem besten "all over Kashmir", die Wunderheilqualitäten des Doktors: He just puts his hand on patient and patient is well! Was soll man da sagen? In Ehrfurcht erstarren? Ach, der gute Doktor! Er hielt uns seiner Heilkräfte leider nicht für würdig. Er verschrieb dem, ob der rabiaten "Verschleppung" bei bereits gesunkenem Fieber wutentbrannten und im Wartezimmer auf Abstand von den, wie es schien, Armutspatienten bedachten Kind, gleich zweierlei Antibiotika : You never know, could be diarrhoea, could be summer infection! - Lediglich während der fünfmaligen täglichen Gebetszeiten hatte der "Hadji" keine Zeit für uns.

 

Der dienstbare Geist Abdul

stets (außer in seiner Tiefschlafphase am frühen Morgen)

aufwartbereit

Er war der "Sweeper-Bearer" des Hausboots "Montreal", der Zimmer- und Servierboy. Täglich bescherte er uns frische Bettwäsche, die jedoch, wegen ihres spezifischen Anhauchs von Kloakenduft, unweigerlich den Verdacht auf "in Dalsee-Wasser gewaschen" aufkommen ließ, was auch - kurz vor der Abreise überraschten wir ihn mit Waschpulverpaket und Bettlaken am Steg - den Tatsachen entsprach.Abdul, Mädchen für alles auf dem Dal-See in Kashmir - 1982 Kurz vor den Mahlzeiten schlüpfte er, der vornehmeren Rolle gerecht zu werden, in einen - fast - blütenweißen Punjabi-Anzug. Zu seinen Servierrequisiten gehörte ein lässig über den linken Arm gelegter Lappen von nicht definierbarer Farbe (ehemals wohl weiß!), mit dem er vor dem Aufdecken liebevoll das Porzellan abstaubte. Kaum war das Essen aufgetragen, fragte er höflich und gutgelaunt: "How was light food"? was wir für eine etwas verunglückte Pidginform von "wie war das leichte Essen" hielten. So ließen wir unserer Zustimmung häufig den Nachsatz folgen: Es schmeckt uns immer noch gut! Erst später ging uns auf, dass es sich um die eingelernte Floskel:" How did you like the food?" gehandelt hatte.

Abdul schlief, die Kissen des hochherrschaftlichen "Livingrooms" als Matratze benutzend, im mit Holzschnitzereien reichverzierten Bug, der "Terrasse" des Hausboots. Im Spülküchengelass neben dem Essraum hielt er in der Regel, von den sich bauschenden Tüllgardinen und dem Lufthauch der im Wind flatternden Segeltuchjalousien überweht, seinen Mittagsschlaf. Tee und Getränke gabs trotzdem jederzeit.

 

 

II   Südindien, Sommer 1982

 

Coconuts

Dem Ausgetrockneten läuft bei ihrem Anblick (und wer ist in Indien bei 45 Grad trockener oder 36 Grad feuchter Hitze, nicht ständig an der Grenze des Verdurstens!), das Wasser im Mund zusammen. Der Kokosnuss-verkäufer nimmt sein Hack-Sichelmesser zur Hand und beginnt, einer der grünen oder orangefarbenen Nüsse mit so kräftigen Schlägen, dass ihn die splitternden Schalen umfliegen, die Spitze abzuschlagen, bis nur noch eine membrandünne, glasige Faserschicht das Fruchtfleisch bedeckt. Und gierig, noch ehe ein erster Schuss der Flüssigkeit herausspritzt - jetzt wird nicht mehr geschlagen, sondern vorsichtig gesichelt - möchte der halb Verdurstete ihm die Frucht aus der Hand reißen, sie an den Mund setzen und trinken, unersättlich, mit dem Wunsch, der Inhalt möge von 3, 4 oder 5 Früchten stammen. Am Ende wird das jungfräuliche Fruchtfleisch, weiß, weich, mit dem Löffel aus der Höhlung gelöst, und da der erste Durst gestillt ist, kann man es langsam und genüsslich auf der Zunge zergehen lassen. - Wie nun schmeckt sie, die Milch junger Nüsse, dieser Durstlöscher par excellence, dazu gänzlich naturbelassen? Schwer zu sagen, obwohl ich monatelang versucht habe, den Geschmack zu bestimmen, zu beschreiben: süßlich-bitter, mit leichtem Seifenlaugentouch? Also seifig, laugig, süß, bitter, mild? Nein, ich gebe es auf, sie schmeckt ganz einfach so köstlich und erfrischend, dass wir kaum jemals an einem Kokoshändler vorübergehen konnten, ohne ihn zum Köpfen zu animieren. Kopfauswahl, Hack-Sichelmesser, Schlag und Sichelöffnung, trinken, das ewiggleiche Ritual. Nicht nur ein Königreich, ein Himmelreich für eine Kokosnuss - in Indien jedenfalls!

 

Ratten retten

Die Ratte im Swimmingpool des Kovalam-Hotels rannte verzweifelt am inneren Rand des Schwimmbeckens entlang, auf der Suche nach einem "way out", fand ihn nicht und durchschwamm schließlich rasch und routiniert das große Wasser von einer Seite des Pools zur anderen, wieder und wieder. Wahrhaftig, in Indien ist mit Heiligen Kühen, die selbstverständlich wie Hausbewohner aus der Eingangstür treten, mit stibitzenden Raben vom Frühstückstisch, mit bananengeilen Affen im Hotelhof, mit keckernden Geckos, fliegenden Riesenkakerlaken, um nur einige Erdenkreaturen zu nennen, die Natur immer dabei. Naturnähe in der Snackbar des Kovalam Beach Hotels in Kerala - 1982 Schön und gut, eine Rattenfalle ist ja nicht schlecht, denkt man, aber in dieser tummelten sich Vater und Sohn gerade tauchend im Wasser. Schließlich - einmal schon waren sie schreiend und diskutierend am Pool zusammengelaufen und wieder verschwunden - erschienen Hoteldiener, einer mit einem langen Stock. Die Ratte, schon halb entkräftet, hangelte sich in mehreren Anläufen daran hoch, fiel pitschnass ins Trockene, blieb kurz liegen - lang genug, dass man sie hätte töten können - rappelte sich auf, quiekte und rannte weg. Noch 10 Minuten lang hörte man aus einem Gebüsch herzzerreißendes Quieken. Lockte etwa die Alte (leben Ratten überhaupt im Familienbund?) das verlorengegangene Rattenkind? Oder umgekehrt? Rief das Rattenkind nach der Mutter? Die Diener, allen voran der stockbewehrte, waren hochzufrieden. Wie hätte er es vor seinem Gewissen auch verantworten können, das heilige Tier - Reittier des elefantenköpfigen Gottes Ganesha - mit dem Knüppel zu erschlagen, dazu noch vor den Augen eines Kindes. So blieb der Tag, von keinerlei Sünde befleckt, friedvoll. Wir aßen in der Open-Air-Snackbar ungestört und mit Genuss unsere vegetarische Mahlzeit, Spaghetti mit Gemüsegratin (wie wir die Soße mit Gemüsestückchen nennen würden), und fütterten die tischzahmen Streifenhörnchen - ebenfalls Nagetiere - eigenhändig mit Nüssen. Doch, doch, Indien kann, wie schon die Hippies wussten, ein Paradies sein - allerdings eher selten.

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